Ausfallsicheres Monitoring: Energieautarke Sensorik behält Infrastrukturen vorausschauend im Blick
Einem deutschen Forschungsteam des Fraunhofer ENAS ist es in Zusammenarbeit mit den Universitäten Chemnitz, Paderborn und Bochum gelungen, ein neuartiges Sensorkonzept zu entwickeln, das unabhängig von externen Stromquellen arbeitet und seine benötigte Energie selbst erzeugt. Die miniaturisierte und kompakte Sensorik schafft die Voraussetzung, Industrie-, Gebäude- und Verkehrsinfrastrukturen kontinuierlich und langfristig stabil zu überwachen sowie Instandhaltungszyklen zu optimieren. Die einzigartige Kombination aus piezoelektrischem Element und Memristor ermöglicht es, Erschütterungen und Vibrationen zu detektieren und Risikopotentiale frühzeitig aufzudecken. Damit können sowohl Ausfall- und Stillstandzeiten minimiert als auch unnötige Kosten vermieden werden.
Historische Bauwerke, empfindliche Transportgüter oder industrielle Maschinenparks – sie alle sind täglich Vibrationen und Schwingungen ausgesetzt, die durch äußere Einflüsse aus der Umwelt, wie Verkehrslärm, transportbedingte Erschütterungen und Vibrationen im Betrieb, verursacht werden und zu Verschleiß und Materialermüdung führen. Langfristig können derartige mechanische Beanspruchungen Risse in Gebäuden und Autobahnbrücken bewirken oder den Ausfall ganzer Industrieanlagen zur Folge haben. Ein permanentes sensorisches Monitoring ist deshalb unerlässlich, um zuverlässig die Funktionsfähigkeit von Infrastrukturen aufrechtzuerhalten und Sicherheit zu gewährleisten.
»Eine solche engmaschige und permanente Überwachung setzt typischerweise hunderte von Sensoren und hunderttausende Kilometer Kabelwege voraus, was personelle Ressourcen beansprucht und enorme Kosten verursacht. Außerdem ist für das Betreiben bisheriger drahtloser Sensorlösungen elektrische Hilfsenergie, beispielsweise in Form von Batterien, nötig. Diese müssen in regelmäßigen Abständen gewartet und vorsorglich ausgetauscht werden, um das einwandfreie Funktionieren der Sensorik jederzeit zu garantieren. Damit entsteht gleichzeitig ein enormes Umweltproblem, da Batterien häufig giftige Stoffe enthalten, deren Entsorgung die Natur schädigen kann«, erklärt Dr. Sven Zimmermann, Leiter der Gruppe »Nanobauelemente/PVD« am Fraunhofer ENAS, die Motivation hinter der Entwicklung.
Autark arbeitendes System: Sensorik deckt Energiebedarf selbst
Abhilfe soll ein von den Forschenden entwickeltes energieautarkes Mikrosensorsystem schaffen, das ganz ohne Akku, Batterien oder Kabel arbeitet und seine Energie ausschließlich aus der Messgröße selbst erzeugt. Der Wandler fungiert bei diesem Konzept gleichzeitig als Energielieferant.
Herzstück der neuen Lösung sind zwei mikrotechnologische Bauelemente: Ein etwa zwei mal zwei Zentimeter großer piezoelektrischer Wandler detektiert mechanische Bewegungen, wie Vibrationen und Erschütterungen, und wandelt die mechanische Energie in elektrische Energie um. »Diese Energie reicht aus, um Daten kritischer Schadensereignisse, die beispielsweise auf einen möglichen Verschleiß von Bauteilen hindeuten, kontinuierlich zu erfassen und auf dem Memristor zu speichern. Die memristive Zelle ist dabei mit bis zu 600 Nanometern um einige Größenordnungen kleiner als die kleinsten Batterien und verfügt dennoch über genügend Speicherkapazität, um eine große Menge an Informationen über lange Zeit zuverlässig zu speichern«, so Dr. Sven Zimmermann.
Perfektes Gedächtnis: Memristor speichert Informationen unbegrenzt
Mit ihrer »Null-Energie«-Lösung überwinden die Forschenden Herausforderungen bisheriger und kommerziell verfügbarer sensorischer Überwachungssysteme, die mit externen Energiequellen oder Energy-Harvesting-Konzepten arbeiten: Eine Unterbrechung der Stromversorgung führt über kurz oder lang zum Verlust sämtlicher generierter Daten, so dass eine Auswertung kritischer Parameter nicht mehr möglich ist.
Diese Lücke wird mithilfe des Memristors als nanoionischem Speichermedium geschlossen. »Memristoren verfügen über einen interessanten Speichereffekt: Fließt Strom durch sie hindurch, ändern sie ihren Widerstand. Diese Widerstandsänderungen werden nicht nur nichtflüchtig gespeichert, sondern lassen sich auch präzise auswerten. Selbst wenn kein Strom fließt, bleiben die Daten erhalten und können mit einem NFC-fähigen Endgerät, wie einem handelsüblichen Smartphone, ausgelesen und zurückgesetzt werden«, erklärt der Fraunhofer-Experte.
»Predictive Maintenance«: Von der akuten Gefahrenbeseitigung zur vorausschauenden Instandhaltung
Diese ausgelesenen Daten bilden mechanische Belastungsmuster ab und geben Auskunft über die Dauer sowie die Anzahl der physikalischen Ereignisse, Erschütterungen und Schwingungen, die beispielsweise auf Industrieanlagen oder Bauwerke eingewirkt haben. Fachexpertinnen und -experten können mithilfe dieser Langzeitüberwachung und anhand der gesammelten Signale wertvolle Schlüsse über den strukturellen Zustand, zum Beispiel von Maschinenparks, ziehen und bewerten, ob mechanische Bauteile ausgetauscht werden müssen. So können Wartungsintervalle vorausschauend anstatt nach periodisch festgelegten Fristen geplant werden. Zudem lassen sich vorbeugend schadhafte Bauteile rechtzeitig erneuern, noch bevor unerwartet ein Schadensereignis und damit ein möglicher Maschinenstillstand durch Verschleiß oder Materialermüdung eintritt, der unnötige Zeit und Kosten verursacht.
Unbegrenzte Anwendungsvielfalt: »Null-Energie«-Sensoren für unterschiedlichste Einsatzgebiete
Neben Anwendungen im industriellen Umfeld sowie im Bereich Mobilität und Verkehr, sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Ansatzpunkte, auch die Logistik- und Architektur-Branche mit ihrer Sensorlösung zu stärken: »So müssen fragile Frachten von einem Ort zum anderen sicher transportiert werden, ohne Schaden zu nehmen. Akustische Störstrahler in historischen Bauwerken verursachen langfristig Schäden an der Bausubstanz, die regelmäßig statisch überprüft werden müssen. In diesen Szenarien kann ein permanent arbeitender Sensor wertvolle und rückverfolgbare Daten liefern und Veränderungen des Zustands von Gebäuden oder Produkten messbar machen. Aufgebracht auf einem flexiblen Substrat, ist er zudem nahezu unsichtbar und beeinträchtigt durch sein geringes Eigengewicht Bauteile oder Infrastrukturen nicht«, führt der Wissenschaftler aus. Diese Vorteile erlauben es, zukünftig auch Anwendungen zu adressieren, für die es bisher aufgrund ungünstiger baulicher Bedingungen für die Verlegung von Kabelsträngen oder den sequentiellen Batteriewechsel keine Möglichkeit der Überwachung gibt.
Nationale Forschungspartnerschaft: Verbundprojekt »UpFUSE«
Das neuartige Sensorsystem ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit der Technischen Universität Chemnitz, der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Paderborn sowie des Fraunhofer ENAS in Chemnitz. Entstanden ist die Sensorik im Rahmen des vierjährigen und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes »UpFUSE« gemeinsam mit Industriepartnern. Das Projekt zielte auf die Erforschung passiver Funk-Sensorsysteme zur energieautarken Erschütterungs- und Vibrationsüberwachung ab.
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