Prozessmodellierung vom Atom bis zum Wafer: Neues Hochleistungsrechnersystem am Fraunhofer ENAS ermöglicht eine neue Generation wissensbasierter Prozessmodelle der Halbleitertechnologie

Im Juni 2024 wurde ein neues Hochleistungsrechnersystem mit knapp 2.000 Rechenkernen in klassischen CPUs (Central Processing Units) an die Forschungsteams des Fraunhofer ENAS übergeben. Mit dem neuen Supercomputer erweitert das Institut seine Forschungsinfrastruktur und ist damit in der Lage, die Geschwindigkeit komplexer Rechenoperationen für die Modellierung und Simulation von Halbleitertechnologien durch paralleles Rechnen deutlich zu erhöhen.

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Im Bild (v. l. n. r.): Andre Singer (CEO bei MEGWARE) und Dr. Jörg Schuster (Leiter des Teams »Prozess-, Anlagen- und Bauelementesimulation« am Fraunhofer ENAS)
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Im Bild (v. l. n. r.): Dr. Jan Langer (Leiter »Data-based Methods« am Fraunhofer ENAS), Dr. Jörg Schuster (Leiter des Teams »Prozess-, Anlagen- und Bauelementesimulation« am Fraunhofer ENAS) und Andre Singer (CEO bei MEGWARE)

Der hochmoderne und leistungsstarke Rechner erlaubt es dem Fraunhofer ENAS, Rechenzeiten für datenintensive, digitale Modellierungsmethoden und Simulationsansätze, die für die Entwicklung neuartiger Fertigungsprozesse der Halbleiter- und Nanotechnologie zum Einsatz kommen, enorm zu verkürzen. Ein solcher komplexer und rechenintensiver Prozess stellt zum Beispiel die Berechnung zur Simulation von Strömungen in Verbindung mit chemischen Abscheidereaktionen dar, wie sie unter anderem in Anlagen der Halbleitertechnologie auftreten können.

»Solche aufwändigen Rechenoperationen können wir dank des neuen Systems ab sofort nicht nur parallel, sondern auch deutlich schneller durchführen. Dadurch können wir gemeinsam mit unseren Kunden sowohl neue Halbleiter-Prozesse und -Anlagen, als auch innovative Materialien oder Bauelemente der Mikro- und Nanoelektronik noch effizienter entwickeln und optimieren. Das erlaubt uns, nicht nur flexibler auf Kundenwünsche zu reagieren, sondern auch wertvolle Zeit und Kosten zu sparen«, erklärt Dr. Jörg Schuster, Leiter des Teams »Prozess-, Anlagen- und Bauelementesimulation« am Fraunhofer ENAS.

Weitere Rechenkapazität stellt das neue Computersystem durch extrem leistungsfähige Grafikkarten bereit, die zur Visualisierung von Simulationsmodellen verwendet werden. Spezielle Algorithmen nutzen zudem die erweiterte Rechenpower der Grafikkarten, so dass Simulationsmodelle weiter beschleunigt werden können.

Darüber hinaus ist das Rechnersystem mit zwei AMD VCK5000-Beschleunigerkarten ausgestattet, die programmierbare Schaltkreise, sogenannte FPGAs (Field Programmable Gate Arrays), mit Hochleistungsvektorprozessorarrays verbinden. Diese heterogene Rechenhardware ist speziell auf die Herausforderungen des maschinellen Lernens, die Sensordatenfusion und komplexe Auswertealgorithmen in der Halbleiterforschung zugeschnitten. Davon profitieren unter anderem neuartige wissensbasierte Prozessmodelle, welche mittels maschinellem Lernen Expertenwissen, Fabrikdaten und Daten physikalisch-chemischer Modelle zu kompakten vorhersagekräftigen und Echtzeit-fähigen Prozessmodellen zusammenführen. Ergänzt wird das System mit einem hoch performanten Netzwerk, das Knoten-übergreifendes paralleles Rechnen ermöglicht. Außerdem verfügt es über ein Systemmanagement und ist mit 500 Terabyte Festplattenspeicher mit außergewöhnlich hoher Speicherkapazität ausgestattet.

Vom neuen Rechnersystem werden am Fraunhofer ENAS zukünftig zahlreiche Projekte zur Prozessmodellierung mit namhaften Halbleiterherstellern profitieren. Während die Kosten der Ausrüstung für die Halbleiterfertigung stetig steigen und damit auch Testläufe im Fabrikmaßstab immer teurer werden, ermöglicht leistungsfähige Rechentechnik das virtuelle Prototyping von Halbleiterprozessen, deren Optimierung für bessere Leistung der Bauelemente und höhere Ausbeuten sowie die Identifikation völlig neuer Fertigungsansätze und Nanobauelemente. Mit der zunehmenden Miniaturisierung der Halbleiterbauelemente wird dabei auch eine umfassende Modellierung der Materialien und Prozesse, vom Atom bis zum Wafer, nötig. Neben klassischen numerischen Modellen werden deshalb auch Simulationsansätze aus der Quantenphysik immer wichtiger.

Beschafft wurde das Hochleistungsrechnersystem mit Mitteln aus dem zentralen Strategiefond der Fraunhofer-Gesellschaft und des Fraunhofer ENAS. Mit MEGWARE, einem der europaweit führenden Supercomputing-Spezialisten, konnte ein Chemnitzer Unternehmen für die Lieferung und Inbetriebnahme des Rechnersystems gewonnen werden.

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