Gesundheit ganzheitlich und global gedacht: Wie das Wohlergehen von Mensch und Natur unsere Welt in Balance hält

Tiere, Menschen und Pflanzen leben in enger Gemeinschaft miteinander. Ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit sind untrennbar miteinander verbunden. Wird dieses sensible Beziehungsgeflecht empfindlich gestört, drohen dramatische Konsequenzen: Ganze Ökosysteme können durch den Einfluss von eingebrachten Chemikalien, wie Schwermetalle, Mikroplastik und Pestizide, oder den Klimawandel aus dem Gleichgewicht geraten und alle dort lebenden Organismen gleichermaßen betreffen – neben Kleinstlebewesen, Pflanzen und Tieren auch den Menschen. Die zunehmende Anzahl von Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können oder sich ausbreitende Antibiotikaresistenzen sind Folgen der eng verwobenen Geflechte innerhalb von Ökosystemen. Dieser Komplexität wird durch einen ganzheitlichen »One Health«-Ansatz Rechnung getragen. Er betont Zusammenhänge, Abhängigkeiten und Schnittstellen in Ökosystemen und stellt das Gleichgewicht von Human- und Veterinärgesundheit sowie stabile Lebensräume in den Mittelpunkt. Diesem Leitgedanken folgend, arbeiten Forschende am Fraunhofer ENAS an neuartigen und smarten Sensorlösungen, die einen umfassenden Blick auf die Welt ermöglichen und die Gesundheit von Natur, Mensch und Tier für ein lebenswertes Morgen sichern sollen.

Der »One Health«-Ansatz beschreibt das Zusammenwirken und gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Akteuren der verschiedenen Ökosysteme unseres Planeten: Tiere, Menschen und Pflanzen leben eng und in einem harmonischen Gleichgewicht zusammen. Schon kleinste Veränderungen in ihren Lebensräumen, lassen das fragile Geflecht jedoch aus der Balance geraten: »Pestizide, zum Beispiel, werden in der Landwirtschaft eingesetzt, um Schädlinge zu bekämpfen. Ihr Einsatz tötet aber auch nützliche Insekten, wie Bienen, die wiederrum Kultur- und Nutzpflanzen bestäuben und damit einen Teil unserer Nahrung sichern. Gelangen Pestizide in unsere Gewässer, droht ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die dort lebende Pflanzen- und Tierwelt. Über die Nahrungskette können diese Schadstoffe aber auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Das zeigt, dass alles mit allem zusammenhängt und die Veränderung selbst kleinster Stellschrauben Folgen für uns alle haben kann. Nur eine gesunde und intakte Umwelt, trägt zum Wohl aller Akteure des globalen Ökosystems Erde bei und sichert damit auch unsere Lebensqualität«, erklärt Dr. Mario Baum, Leiter der Abteilung »Health Systems« am Fraunhofer ENAS. Dort entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mikroelektronische Komponenten und sensorbasierte Systeme, um diese Stellschrauben positiv beeinflussen zu können.

 

Fokus Tiergesundheit: Tierwohl schützen

Dass selbst kleinste Veränderungen von Umweltparametern in Ökosystemen große Auswirkungen auf deren Bewohner haben können, zeigt die Verunreinigung von Gewässern: Werden zum Beispiel Hormonrückstände über Kläranlagen in Wasser und Abwasser eingebracht, entsteht ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Pflanzen und vor allem für die dort lebenden Tiere. Die Aufnahme hormoneller und hormonähnlicher Substanzen, die durch unachtsames Entsorgen von Medikamenten oder durch den menschlichen Urin versuracht werden, kann die Geschlechtsentwicklung bei Amphibien und Fischen empfindlich stören, was nicht nur auf deren Populationen, sondern auch auf das gesamte Ökosystem Wasser negative Auswirkungen hat.

Zum Nachweis derartiger gesundheitsgefährdender Schadstoffklassen in Gewässern bedarf es ausgefeilter Technologien. So entwickelte ein Forschungsteam unter Beteiligung des Fraunhofer ENAS ein portables System auf Basis neuartiger Quantentechnologien, das schnell, kostengünstig und vor Ort kleinste Konzentrationen hormonähnlicher Substanzen, so genannter endokriner Disruptoren, im Wasser nachweisen und mittels KI-gestützter Datenverarbeitung analysieren kann. Dadurch wird der zeit- und kostenintensive Nachweis von Hormonen im Wasser durch aufwändige Laboruntersuchungen deutlich reduziert.

Möglich macht das eine kompakte Spektrometertechnologie, die Einzelphotonenquellen basierend auf Quantenpunkten und Einzelphotonendetektoren nutzt. Für die Herstellung der Einzelphotonenquellen bedienen sich die Forschenden eines wichtigen biologischen Schlüsselelements, des sogenannten »DNA-Origamis«. Ein solches »DNA-Origami« besteht aus einem DNA-Strang, der sich in nanoskopisch kleine funktionale 2D- und 3D-Strukturen falten lässt. An diese Strukturen werden einzelne Quantenpunkte, das heißt Lichtquellen, angebunden und ausgerichtet. Diese Einzelphotonenquellen emittieren im Gegensatz zu herkömmlichen Lichtquellen, wie zum Beispiel LEDs, nur einzelne Photonen, welche eine wesentlich rauschärmere und damit sensitivere Detektion ermöglichen. Weitere optische Komponenten, wie ein Einzelphotonendetektor, ergänzen das portable Spektrometer für mobile Analysen. Das Fraunhofer ENAS unterstützt die Entwicklung des empfindlichen, sensorischen Systems mit seiner Expertise im Aufbau und der Optimierung von auf Quantenpunkten basierenden Lichtquellen und trägt damit dazu bei, gesundheitsgefährdende Wasserverschmutzungen aufzudecken und so das Ökosystem Wasser mitsamt seiner Bewohner in Balance und damit gesund zu halten.

 

Fokus menschliche Gesundheit: Gesamtheitliches und kontinuierliches Gesundheitsmonitoring

Aber nicht nur Tiere, sondern auch der Mensch kann empfindlich auf Veränderungen der Umwelt sowie auf den Einfluss externer Faktoren und äußerer belastender Bedingungen reagieren. In Stresssituationen kommt es zur massiven Ausschüttung des Stresshormons Cortisol, was in chronisch erhöhten Konzentrationen ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellt. Die Folge: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu Burn-outs und Depressionen. Um Anzeichen solcher dauerhaften Stressbelastungen und möglicher ernsthafter Erkrankungen frühzeitig erkennen und Interventionsmaßnahmen zum Erhalt der mentalen Gesundheit ergreifen zu können, braucht es ein kontinuierliches Monitoring.

»Bisher werden die Konzentrationen des Stresshormons Cortisol, das der Körper in Stresssituationen vermehrt produziert, allerdings nur stichprobenartig gemessen. Diese Messung bildet das Stresslevel von Patientinnen und Patienten lediglich punktuell ab, zeigt aber nicht, ob eine Person kontinuierlich zu viel Stress ausgesetzt ist und daher über eine längere Zeit zu viel Cortisol ausschüttet. Krankheitsbilder, wie ein drohendes Burn-out, anhand solch isolierter Faktoren zu erkennen und aus diesen eine umfassende Diagnostik abzuleiten, bleibt daher eine Herausforderung«, erklärt Dr. Mario Baum.

Das wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ändern: Sie entwickeln eine tragbare Multi-Biosensorik, die nah am Körper getragen wird und mit der sich Vitalparameter und Biomarker kontinuierlich und über eine lange Zeit ermitteln lassen. Indem sie die flexible Biosensorik mittels Mikrofluidik mit elektrochemischen Sensoren kombinieren, kann eine Vielzahl an Parametern ermittelt werden, die ein Übermaß an Stress anzeigen. Da Stressbelastungen häufig zu einer vermehrten Produktion von Schweiß führen, kann das im Schweiß enthaltene Hormon Cortisol über die Haut der Patientinnen und Patienten kontinuierlich bestimmt werden. Ein erhöhter Cortisol-Wert liefert so – neben anderen Vitalwerten – zusätzlich Hinweise auf dauerhaften und chronischen Stress.

»Diese einzigartige Kombination aus physiologischen Gesundheitsparametern und elektrisch gemessenen Signalen mithilfe von tragbaren Wearables bietet sowohl Ärztinnen und Ärzten als auch Patientinnen und Patienten nicht nur die Möglichkeit eines permanenten und nicht-invasiven Gesundheitsmonitorings. Durch den Einsatz cleverer KI-Algorithmen können in den so generierten medizinischen Daten zudem komplexe Muster und Zusammenhänge erkannt werden, die ein umfassendes und ganzheitliches Bild über den Gesundheitszustand erlauben und damit eine frühzeitige Diagnostik verlässlich unterstützen«, so Dr. Mario Baum.

Das Ziel der Forschenden ist es, mithilfe ihrer Multi-Sensorik weitere Biomarker in Echtzeit zu erfassen, die bisher nur getrennt voneinander invasiv gemessen werden konnten, und mit weiteren Gesundheitsdaten zu kombinieren. Ultrafeine Mikronadeln, die dünner als ein menschliches Haar sind und in Wearable-Technologien integriert werden können, liefern zusätzliche wertvolle Messdaten zur Bewertung des Gesundheitszustands von Patientinnen und Patienten. Mithilfe dieser Mikronadeln kann die interstitielle Flüssigkeit, die sich zwischen den menschlichen Zellen befindet und, ähnlich wie das menschliche Blut, reich an Biomarkern ist, aufgenommen werden. Dank dieser lassen sich biologische Marker, wie beispielsweise Glukose- oder Laktat-Konzentrationen zuverlässig prüfen und überwachen, was eine präventive Kontrolle des Gesundheitszustands ermöglicht.

Die vom Fraunhofer ENAS entwickelten sensorischen Gesundheitstechnologien erlauben es, Symptome deutlich besser und gesamtheitlich zu verstehen und frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Damit ließen sich arbeitsintensive regelmäßige Laboruntersuchungen vermeiden, Krankenhausaufenthalte reduzieren und letztlich Kosten im Gesundheitssystem einsparen.

 

Fokus gesunde Umwelt: Nachhaltige Landwirtschaft und sichere Lebensmittel

Die Human- und Veterinärgesundheit stehen in engem Zusammenhang mit sicheren Nahrungs- und Futtermitteln. Nur, wenn Agrarflächen mit ausreichend Wasser und Nährstoffen versorgt sind, können landwirtschaftliche Erträge produziert und gesichert werden. Diese bilden die Grundvoraussetzung für eine gesunde Ernährung.

Gelingen kann dies zum Beispiel durch eine kontinuierliche Überwachung von landwirtschaftlichen Flächen. Forschende des Fraunhofer ENAS entwickelten hierzu smarte Sensoren mit vollständig recycelbaren Komponenten. Gefertigt aus umweltfreundlichen und biologisch abbaubaren Materialien, messen diese Systeme direkt in den Böden und jederzeit, ob Felder gezielt bewässert oder gedüngt werden müssen. Auf diese Weise werden Wasserressourcen schonender eingesetzt oder der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden auf ein Minimum reduziert. Auch wird die langfristige Fruchtbarkeit von Böden sichergestellt. In der Konsequenz können durch verbesserte Anbaubedingungen gesündere Nahrungs- und Futtermittel produziert werden, die positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Tier und Mensch haben.

Neben nachhaltigen Anbaubedingungen spielt auch die kontinuierliche Überprüfung und damit die Sicherstellung der Lebensmittelqualität eine essentielle Rolle für die Minimierung gesundheitlicher Risiken. Vor allem Kleinerzeuger, wie Imker, Brauereien oder Milchproduzenten, verfügen jedoch nicht über die technischen und finanziellen Möglichkeiten, engmaschig ihre Erzeugnisse auf Rückstände oder Verunreinigungen zu kontrollieren. Die Lösung: Ein hochsensitives und portables mikrofluidisches Sensorsystem, das schnell, kostengünstig und vor Ort Nahrungsmittel überprüfen und so lebensmittelbezogene Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher reduzieren kann.

Ein solches Schnelltestsystem, das eine Testung vor Ort ermöglicht, entwickelte ein internationales Forschungsteam gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Fraunhofer ENAS. Mit diesem lassen sich chemische und mikrobiologische Verunreinigungen in Lebensmitteln, wie Pestizidrückstände in Honig, mikrobielle Verunreinigungen in Bier oder Schwermetalle in der Milch, zuverlässig aufspüren. Der Nachweis dieser Risikofaktoren basiert auf der Kombination der beiden Messprinzipien der oberflächenverstärkten Plasmonenresonanz (LSPR) und der direkten Fluoreszenzdetektion von Pathogen-DNA. Biorezeptoren werden dabei chemisch an die Oberfläche eines nanoplasmonischen Gitters, einer plasmonisch aktiven Goldoberfläche, gebunden. Binden Schadstoffe an diese Biorezeptoren an, ändert sich das optische Verhalten des nanoplasmonischen Gitters. Dadurch können auch geringste Konzentrationen mikrobieller und chemischer Verunreinigungen zuverlässig detektiert werden. Auf diese Weise können Nahrungsmittelproduzenten sicherstellen, dass nur einwandfreie, gesunde und sichere Lebensmittel auf den Markt gelangen.

 

Technologiekompetenz par Excellence: Monitoring- und Diagnosetechnologien von morgen

Mit seiner ausgewiesenen und langjährigen Expertise in Forschung und Entwicklung im Bereich Mikro- und Nanotechnologien für Healthcare- und Life Science-Anwendungen nimmt das Fraunhofer ENAS mit dem Thema Gesundheit eine gesamtgesellschaftlich bedeutende globale Herausforderung in den Blick. Dabei vereint das Institut interdisziplinäres Know-how aus den Bereichen Sensorik, Mikrofluidik und Sensordatenfusion und integriert dieses in komplexe und smarte Überwachungs- und Diagnosesysteme. Die so entstehenden Sensorsysteme unterstützen nicht nur valide diagnostische Entscheidungen, die Überwachung von Schadstoffen und die Erkennung von Krankheiten, sondern tragen auch zu einer höheren Lebensqualität von Mensch und Tier in einer intakten Umwelt für die Zukunft bei.

Wenn Sie mehr über die Arbeit des Fraunhofer ENAS im Bereich Gesundheitstechnologien erfahren möchten, dann nehmen Sie noch heute Kontakt mit unseren Expertinnen und Experten auf.

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