Nano Device Technologies

Elektroformierungsfreie Memristoren für disruptive Innovationen in KI–Hardware-Architekturen

Abb. 1 (a) Exponentielles Wachstum der Datenmenge im Zeitraum von 2015-2035 (b) Leistungsaufnahme von KI basierend auf digitalen Hardware-Bausteinen beim Schach, bei Jeopardy und beim AlphaGo. Die Leistungsaufnahme der menschlichen Gegenspieler betrug 20 W. (c) Erster von „Five Seismic Shifts That Will Define The Future of Semiconductors and ICT”: The Analog Data Deluge
Abb. 2 (a) Elektronenmikroskopie-Aufnahme der Oberfläche und (b) schematische Ansicht der Seitenfläche eines BFO-Memristors (bipolar, analog, Roff/Ron=10¹-10³) mit Topelektrode (TE) und Bottomelektrode (BE), mit Sauerstoff-Leerstellen (schwarze Kreise mit weißem Pluszeichen) und mit Titantraps für Sauerstoff-Leerstellen in der Nähe der TE und BE (nicht gezeigt). Die Sauerstoff-Leerstellen driften beim Anlegen eines Schreibpulses entsprechend der Polarität des Schreibpulses im BFO in Richtung der TE oder BE und reduzieren die Barrierenhöhe der TE oder BE nichtflüchtig.

KI mit klassischen, auf der Silizium-Technologie beru­henden, digitalen Hardware-Bausteinen stößt bezüglich Latenz, Genauigkeit, Platzbedarf, Datendurchsatz (Abb. 1a), Energieeffizienz (Abb. 1b), CO2-Footprint und Lernrate an Gren­zen, die sich auch durch die Weiterentwicklung von Software nicht oder nur mit äußerst großem Aufwand überwinden lassen werden. Die Dimension dieser Herausforderung wird in der neuesten Roadmap der Semiconductor Research Corporation beschrieben1 (Abb. 1c). Es fehlen elektroformierungsfreie, analoge und digitale KI-Hardware-Bausteine. Dank der von uns entwickelten, elektroformierungsfreien KI-Hardware-Bausteine BiFeO3 (BFO)-Memristor und YMnO3 (YMO)-Memristor werden neue KI-Hardware-Architekturen möglich und wird das Poten­zial für eine kaum abschätzbar große Zahl an auf dieser KI-Hardware basierenden, disruptiven Inno­vationen geschaffen. Wir greifen auf eine spezifische Infrastruktur, Koopera­tions­partner und Kompetenzen mit Alleinstellungscharakter zurück: Dies umfasst als Technologie-Anwen­der KMUs und Startups in Deutschland sowie die ortsansässige, in Europa einmalige, sächsi­sche Halbleiterindustrie, die mit ihren Strukturgrößen – Globalfoundries 22 nm - über den er­forderlichen Maschinenpark zur Herstellung verfügen. Dazu kommen die Forschungs­fabrik Mikroelektronik Deutschland, Software- und Hardware-Testbeds (TU Dres­den, TU Chemnitz, Fraunhofer ENAS) sowie Wissenschaftler aus universitären und außeruniversitä­ren Forschungsein­richtungen, welche in der Materialforschung für KI-Hardware sowie im Schal­tungsdesign und -aufbau und in der KI-Software-Entwicklung ausgewiesen sind. Derzeit entwickeln wir in Referenz-Projekten auf Demonstrator-Ebene KI-Hardware-Architekturen mit elektroformierungsfreien Memristoren für die Sensornahe Datenverarbeitung sowie für die Vertrauenswürdige Elektronik.

Da Memristoren in hochskalierbaren KI-Schaltungen typischerweise in einer Crossbar-Struktur angeordnet werden, ist grundsätzlich anzustreben, elektroformierungsfreie Memristoren zu nutzen, da sonst die Fehleranfälligkeit steigt. Der elektroformierungsfreie BiFeO3(BFO)-Memristor (Abb. 2) weist alle notwendigen Eigenschaften des fehlenden analogen KI-Hardware-Bausteines auf. Der Elektroformierungsschritt wird in Crossbar-Strukturen mit BFO-Memristoren vermieden und ermöglicht neben der Realisierung der analogen Daten­ver­ar­beitung auch die analoge Datenspeicherung als einzigartige Funktionalität in hochska­lier­ba­ren KI-Schaltungen. Darüber hinaus sind BFO-Memristoren aufgrund ihrer hohen Variabilität in der Herstellung zur Verwendung als PUF-Krypto-Elemente (Physical Unclonable Function- PUF) in der Vertrauenswürdigen Elektronik geeignet.

Der elektroformierungsfreie YMO-Memristor (Abb. 3) weist alle notwendigen Eigenschaften des fehlenden digitalen KI-Hardware-Bausteines auf und ist aufgrund seiner hohen Entropie zur Verwendung als RNG-Krypto-Element (Random- Number Generator – RNG) geeignet.

Basierend auf den elektroformierungsfreien Memristoren entwickeln wir die Technologie (Abb. 4) zur Herstellung innovativer KI-Hardware-Architekturen für die Sensornahe Datenverarbeitung und für die Vertrauenswürdige Elektronik. Das ist der Beginn des 1. Seismic Shifts »The Analog Data Deluge«1 (Abb. 1c) und stellt eine neu hinzukommende Stufe der Wertschöpfung dar, was zu neuen Wertschöpfungs­potenzialen auf Seiten der Anwendungen von Mikroelektronik und entlang ihres Herstellungs­prozesses führt.

 

1) Five Seismic Shifts That Will Define The Future of Semiconductors and ICT, www.src.org/about/decadal-plan/

Abb. 3 (a) Elektronenmikroskopie-Aufnahme der Oberfläche und (b) schematische Ansicht der Seitenfläche eines YMO-Memristors (unipolar, digital, Roff/Ron=10³-1000000) mit Topelektrode (TE) und Bottomelektrode (BE), mit geladenen Vortices (schwarze, korkenzieherartige Linien). Die Dichte der Vortices wird beim Anlegen eines Schreibpulses rekonfiguriert. Nach dem Anlegen des SET-Schreibpulses ist die Vortexdichte erhöht, nach dem Anlegen des RESET-Schreibpulses ist die Vortexdichte erniedrigt.
Aufsicht auf einen geschnittenen 6“-Wafer mit strukturierten Rückseiten-Elektroden für Crossbar-Arrays unterschiedlicher Größe (1x1, 3x3, 5x5, 10x10).
© Fraunhofer ENAS
Abb. 4 Aufsicht auf die 1x1 cm² großen Segmente eines gesägten 150-mm-Wafers mit strukturierten Rückseiten-Elektroden für Crossbar-Strukturen unterschiedlicher Größe (1x1, 3x3, 5x5, 10x10).