Modellierung und Simulation

Die ständig wachsenden Anforderungen an die Qualität intelligenter Mikrosysteme aus den verschiedensten Bereichen wie Transport, Kommunikation, Energie, Fertigung sowie Sicherheit beinhalten vor allem Aspekte der Zuverlässigkeit, Robustheit und Nachhaltigkeit. Dabei werden zukünftige Smart Mobility, Smart Energy und Smart Manufacturing Lösungen zunehmend von höherer Integration und Leistungsdichte für Energieeffizienz und Signalintegrität geprägt. Bedingt durch die höhere Systemintegration wird optimales funktionales, mechanisches, elektrisches und thermisches Design zum Schlüssel für wettbewerbsfähige Produkte.

Das Fraunhofer ENAS entwickelt Methoden für ein komplexes Design for Reliability (DfR). Dies dient der Unterstützung von Entwicklungsprozessen, der Abschätzung von Beanspruchungen in Bauteilen und Komponenten sowie der Prognose von Produktlebensdauern.  

Die Bewertung und Optimierung der Zuverlässigkeit erfordert ebenfalls eine enge Zusammenarbeit zwischen theoretischer Modellierung, numerischer Berechnung und experimenteller Validierung. Die folgenden Modellierungs- und Simulationsmethoden werden im Fraunhofer ENAS genutzt und gezielt weiterentwickelt:

  • Materialmodellgenerierung

Einer exakten Beschreibung des Materialverhaltens unter dem Aspekt fortschreitender Miniaturisierung kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Adäquate Materialmodelle für den Mikrobereich werden daher kontinuierlich entwickelt und verbessert.

  • Bruch- und Schädigungsmechanik (Physics of Failure)

Über die Simulation der Deformations- und Spannungszustände hinaus werden mittels Bruch- und Schädigungsmechanik Fehlermodi in elektronischen und mikrosystemtechnischen Komponenten analysiert sowie mögliche Ausfälle prognostiziert. Durch Parametervariationen können beispielsweise Empfehlungen zu Abhilfemaßnahmen getroffen werden.

  • Zuverlässigkeitsbewertung

Für die Zuverlässigkeitsbewertung und -optimierung liegt bereits ein großer Erfahrungsschatz an Kriterien und Methoden vor, der auf Basis neuer Projekte ständig angereichert werden.

  • Automatisiertes virtuelles Prototyping

Virtuelles Prototyping basierend auf neuesten Simulationstechnologien kommt als intelligentes und effizientes Werkzeug umfassend bei der Produktentwicklung am ENAS/beim MMC zur Anwendung. Schwerpunkt der Forschung ist eine fortschreitende Automatisierung des Designs virtueller Experimente.

Die Weiterentwicklung der Kombination dieser Methoden stellt einen großen Forschungsschwerpunkt innerhalb der Kernkompetenz Zuverlässigkeit dar. Mit der Implementierung fortgeschrittener Kriterien der Bruch- und Schädigungsmechanik der Erhöhung des Automatisierungsgrades des virtuellen Prototypings sowie der Entwicklung von Methoden des Prognostics and Health Managements (PHM) für elektronische Aufbauten werden stetig neue Beiträge auf dem Gebiet der Zuverlässigkeitsforschung generiert.

Forschungsschwerpunkte

Die Ziele der Materialmodellgenerierung (FEM) sind die Beschreibung von Nichtlinearitäten, Temperatur- und Ratenabhängigkeiten und die Ermittlung von Bruchparametern für bruch- und schädigungsmechanische Simulation.

Die Anwendung ist die Beschreibung des Materialverhaltens im Nano- und Mikrobereich zur Analyse von Fehlermodi in elektronischen und mikrosystemtechnischen Komponenten mittels Simulation von Deformations- und Spannungszuständen, Bruch- und Schädigungsmechanik sowie Prognostik möglicher Ausfälle für die Zuverlässigkeitsbewertung und -optimierung.

Zur Materialdatenextraktion aus experimentellen Versuchen werden neue Auswerteroutinen entwickelt und bewertet und neue Materialmodelle implementiert. Die Bestimmung des lokalen Materialverhaltens und mikrostruktureller Effekte erfolgt z.B. mit Nanoindentation (Link). Zur Parameterextraktion werden Experiment und Simulation gekoppelt.

Verwendete Geräte/Software:

  • ANSYS/APDL
  • ABAQUS/Python
  • Optislang

Projekte:

  • IoSense
  • Trace

Rissgeometrie
Rissöffnungsmodi

Die klassische Bruchmechanik gehört zu den konservativen Methoden der Bewertung von Materialbelastungen. Sie liefert zum Beispiel Aussagen darüber, ob ein an einer bestimmten Position existierender Riss unter gegebenen Belastungen kritisch wird, das heißt sich erweitert oder nicht. Das verlangt vom Anwender zu wissen, wo Risse vorhanden sein können, wo evtl. solche entstehen könnten und diese kritisch für die Belastungsfähigkeit einer Konstruktion sind.

Entsprechende Parameter sind zum Beispiel:

  • Die Energiefreisetzungsrate (ERR), die beschreibt welche elastische Energie bei einem kleinen infinitesimalen Rissfortschritt freigesetzt wird (Griffith)
  • Der Spannungsintensitätsfaktor (für verschiedene Rissöffnungsmodi), der das singuläre Spannungsfeld vor der Rissspitze bewertet (eine konventionelle Auswertung der lokalen Spannungen ergibt dort keinen Sinn, aufgrund der Netzdichteabhängigkeit),
  • Integrale Bruchkenngrößen wie das J-Integral, ähnlich wie die Energiefreisetzungsrate an einem Integrationspfad rings um die Rissspitze (aber weit genug entfernt, um die in natura nicht vorhandene Spannungssingularität zu meiden) die bei einer infinitesimalen Rissverlängerung darstellt, welche elastische Energie durch diese Kontur hindurch nach außen verloren geht
  • Die virtuelle Rissschließungstechnik (VCCT, Irvin), die in ihrer Anpassung an die FEM (Rybicki, Kanninen) die Energiefreisetzungsrate liefert.

Um eine Aussage treffen zu können, ob ein solcher Riss kritisch wird oder nicht, müssen mit geeigneten experimentellen Methoden die kritischen bruchmechanischen Kenngrößen des Materials ermittelt worden sein – etwa die kritische Energiefreisetzungsrate Gc oder kritische Spannungsintensitätsfaktor KIC(die Bruchzähigkeit).

Die Anordnung singulärer Elemente (Elemente mit quadratischen Formfunktionen, kollabierter Seite oder Fläche und verschobenen Kantenmittenknoten) oder hybrider Rissspitzenelemente rings um eine Rissspitze verbessert die Genauigkeit der Ergebnisse.

Es sei noch bemerkt, dass es für verschiedene Anwendungsbeispiele eine ganze Anzahl von Lösungsansätzen gibt (Brust et al.), zum Beispiel integrale Bruchkonzepte für die Problematiken großer Verformungen, belastete Rissflanken, plastische Deformationen, visco-plastisches Kriechen, elektro-mechanische Kopplung, thermo-mechanische Kopplung, dynamische Bruchvorgänge, intrinsische Spannungszustände, Temperaturgradienten usw. So auch das C*-Integral, das  zur Beurteilung herangezogen werden kann, ob ein sich mit konstanter Geschwindigkeit ausbreitender Riss seinen Fortschritt beschleunigt oder nicht.

Die Anwendung bruchmechanischer Konzepte ist immer dann angezeigt, wenn wirklich vorhandene Risse bewertet werden müssen, wenn lokal singuläre Spannungsfelder auftreten (auch ohne Anfangsriss) und die Robustheit von Konstruktionen gegenüber evtl. Anfangsrissen bewertet werden soll. Die damit verbundenen experimentellen Methoden stellen die Bruchzähigkeitswerte bereit und sind damit Voraussetzung für andere Techniken, wie die xFEM oder CZM. Da im Ergebnis einer bruchmechanischen Betrachtung immer „einfache“ Wertevergleiche zwischen Belastungswert und Bruchzähigkeit stehen, sind sie auch besonders für Sensibilitätsanalysen, Optimierungsrechnungen, Robustheitsuntersuchungen geeignet.

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